Es begann an einem nebligen Morgen…

Krimi am Wettbewerbstag 6

Der Tag startet für die 15-Meter-Klasse-Piloten mit einem Schreck zur frühen Morgenstunde: Der Kaffee ist leer und die Milch auch! Also geht es ohne einen ersten Muntermacher zum Tanken und Griden. Hilfe kommt von den Clubklassekollegen, die auf ihrem Weg zum Flugplatz alle fehlenden Zutaten für das Frühstück mitbringen. Der Tag ist gerettet.

Briefing

Das Wetter: Nach der gestrigen Kaltfront Annäherung einer Warmfront von Westen. Das heißt ganztägig Cirren, die sich im Tagesverlauf verdichten und am späten Nachmittag als „Bartabschneider“ für das Thermikende sorgen werden. Vorher gibt es in der noch vorhandenen kühleren Luft 2-4/8 Cumuli, Basis wieder bei ca. 2.000 m, kaum Wind.
Meteorologe Dr. Jan Kretzschmar entdeckt in den Wettermodellen eine Konvergenzlinie, genau entlang der Kurslinie der beiden Klasse östlich des Bayrischen Waldes über Budweis: „Wenn sie wirklich so kommt wie angekündigt, dann sind Schnitte mit 104-110 km/h drin. Aber Achtung: Sie geht mitten durch das Sperrgebiet“.

Heute gibt es erstmalig für jede Klasse zwei Racing-Tasks, eine größere und eine kleinere Variante. Die Aufgaben der Standard- und der 15-Meter-Klasse sind am Ende jeweils die verkürzten Varianten: ein Viereck (je 335km), wobei ein langer Schenkel entlang des Bayrischen Waldes (natürlich über den tschechischen Teil) geht. Die ambitionierten 390 km der Clubklasse gehen zunächst gen Westen, bevor der lange Schenkel (170km) gen Osten und wieder zurück nach Tabor geht.

Die Organisatoren sind optimistisch: erste Startbereitschaft um 11:00 h lokal. Ob bis dahin der Nebel weg sein wird? Ja, aber leider ist die Thermik noch nicht ganz da. Die Wolken sind eher noch „Wassersäcke“ ohne ausreichend starke Thermik. Die Clubklasse startet schließlich um 12:00 h, wie immer als erstes.

Das Rennen

Wieder ist die erste entscheidende Frage, wann der beste Abflugzeitpunkt nach Eröffnung der Startlinie sein wird: Zu früh, dann nutzt die Konkurrenz einen selbst als „Spürhund“ bzw. Thermikbojen und zieht anschließend vorbei. Oder später, mit der Gefahr, von der Abschirmung eingeholt zu werden. Die Clubklasse-Piloten entscheiden sich daher unisono für einen frühen Abflug. Mit vorne dabei: Uwe und Marcus.
In der danach gestarteten Standardklasse ist das Taktieren schon ausgeprägter. Simon und Robin zögern mit ihrem Abflug und starten mit den Letzten ihrer Klasse.

„Heute sind die anderen Klassen sowieso vor uns. Das sind genügend Thermikwegweiser, lass uns eher früher starten, um in dem guten Wetter zu bleiben,“ so die beiden Piloten der 15-Meter-Klasse.

Die angekündigte Konvergenzlinie entwickelt sich dann doch nicht so wie gewünscht. Aber die ersten Schenkel laufen in den verschiedenen Klassen relativ gut. Obwohl die einsickernde Warmluft gnadenlos ist, wenn man an falscher Stelle zu tief kommt. Das Ausgraben kostet Energie (und Nerven der Rückholer), gelingt aber!

Dann ist die Abschirmung doch schneller als die Piloten und der vorletzte Schenkel (gen Osten) erweist sich als echte Herausforderung: Jedes Steigen, und seien es nur 0,2 m/s wird mitgenommen. Hänger fahren los, um die ersten Unglücksraben von den einzelnen Äckern wieder einzusammeln.


Die Kommandozentrale: Wetterradar, Webcams, Live-Übertragung
, Aufgaben in Druckversion, Funk

Angespannt verfolgt der Team Captain seine Piloten, informiert über eventuelle Alternativen, Entwicklungen: „3V, aktuell ist niemand in deiner Nähe, der steigt. MX, vor dir auf Kurslinie einer mit 0,5 m.“ Die Devise aktuell: Oben bleiben!
Eine Außenlandung verursacht im Allgemeinen einen so hohen Punkterückstand gegenüber den anderen, dass alle Chancen auf einen der vorderen Plätze passé ist.
Können jedoch zu wenige Piloten die Aufgabe bewältigen, gibt es nur wenige Punkte für den Sieg und den entsprechend Nachplatzierten, dann hat man am Ende nicht viel gewonnen.

Die Clubklasse ist knapp 2.000 m MSL/1500m GN hoch, gut 40 km, reicht das unter diesen Umständen? Im Lager werden die Rückholen vorbereitet. Dann die erste Meldung: Robin (Standard) sitzt auf dem Feld, Marc (15 m) hat einen Flugplatz erwischt. Kurz darauf meldet auch Simon (Standard) eine erfolgreiche Außenlandung. „Ich bin noch zu den Flusen geflogen, aber die haben sich aufgelöst. Kurz darauf musste ich den Motor starten. Die zwei anderen warteten ab und stiegen dann hinter mir die entscheidenden Meter höher“, berichtet etwas enttäuscht Uwe Wahlig (15m). Aber nicht nur die Deutschen liegen draußen, eine lange Hängerkarawane macht sich auf den Weg.

Währenddessen gleiten unsere Helden des Tages, die Clubklassepiloten Marcus (der schon morgens mit den prophetischen Worten: „Heute ist DG300-Tag“ startete) und Uwe Melzer („…mit viel Geduld und Demut…“), ganz vorsichtig Stück für Stück nach Hause.

Die Ergebnisse

Marcus Dawert holt sich damit den Tagessieg, zusammen mit Mikolaj Zdun (Polen, LS3WL). Uwe Melzer freut sich über den dritten Platz. Beide katapultiert dieses Ergebnis in der Gesamtwertung weiter nach vorne: Marcus auf Rang 7, Uwe Melzer jetzt Rang 12. Insgesamt haben es nur vier Piloten nach Hause geschafft.

In der Standard-Klasse kommt nur Maros Divok (Slovakei) ohne Beanstandung nach Hause. Zwei weitere waren im Zielkreis zu niedrig. Simon hat hart gekämpft, schaffte aber leider die letzten Meter nicht mehr. Trotzdem ist Platz 4 eine tolle Leistung und redlich verdient, was ihn ingesamt drei Plätze weiter nach vorne schiebt. Robin landet heute auf Platz 10.

In der 15-Meter-Klasse ist Uwe Wahlig der beste Deutsche auf Rang 9, Marc auf Platz 13. Auch hier schafften es insgesamt nur drei ungescholten nach Hause, zwei weitere mit Strafpunkten wegen zu niedriger Höhe im Endteil.

Tagessieger Marcus Dawert: „Heute ist DG-300-Tag!“ Aber auf zwei punktgleiche Sieger waren die Organisatoren nicht ganz vorbereitet...

Die deutschen Rückholer haben erfreulich kurze Fahrten. So können alle den heutigen tschechischen Abend gemeinsam genießen: eine kleine, aber feine Flugshow, saftiger Prager Grillschinken, deftiges Gulasch, Süßes zum Nachtisch und das berühmte tschechische Bier, hier auch in der alkoholfreien Variante. Denn morgen gibt es wieder einen fliegbaren Wertungstag…

Funksprüche

  • „Wir haben heute morgen erst den Flugplatz und dann das richtige Flugzeug im Nebel gesucht….“
  • „Der Nebel kumuliert sich schon zu Cu’s“
  • „Der Engländer hatte am Mittwoch lediglich 440 kg Abflugmasse mit seinem Ventus, weniger als wir.“ – „Da war er bestimmt langsamer. Masse läuft.“ – „Äh, nein, eindeutig schneller.“ – „Mist, das widerspricht meiner These.“ „Er ist im besseren Wetter geflogen…“ – „Aha!“ – „…und will das nächste Mal mehr tanken.“ – „Sag ich doch!“
  • „Zählst du die Probellerblätter, ob noch alle da sind?“ – „Nein, ich nutze die Zeit für eine kurze Motorsichtkontrolle…“
  • Clubklasse-Pilot: „Na toll, wir haben zwar die kleinere Aufgabe, aber über doofem Gebiet. Dann krebsen wir wieder in der Gülle herum…“ Anmerkung: Am Ende hatte die Clubklasse die größte Aufgabe.
  • Team Captain: „Die 15-Meter-Klasse ist die grüne Strecke.“ Pilot 1: „Grün ist die Farbe der Hoffnung…“ Pilot 2: „Oder des Grinchs…“
  • „Ich weiß jetzt, warum der Franzose so erfolgreich auf Platz 1 ist: Die haben immer ausreichend Polierwolle dabei, die kommt auf Zuruf und hat einem integrierten feuchten Lappen immer dabei…“
  • „Was ist gerade mit meinem Piloten los?“– Team Captain: „Keine Sorge, der steigt noch. Oh, jetzt nicht mehr. Hm, da ist ein Berg, über den springt/fliegt er drüber, aber dann kommt ein Tal, da hat er wieder viel mehr Luft unter den Flügeln und findet bestimmt was, …ganz bestimmt, …hoffe ich. Ups, soviel mehr ist es doch nicht mehr… Arg! Was macht er denn?… Da, er steigt… super, er ist Gott. Na, das war doch problemlos.“
  • „Unsere Clubis werden zwar gerade überholt, sind aber in einer guten Ausgangslage, um nach Hause zu kommen…“
  • „Da kannst du ohne Fingerknabbern durchgleiten…“
  • „Sind die von der Standardklasse vor mir schon zuhause?“ – „Negativ, alle auf dem Acker.“

Fotos: Uwe Melzer (Luftaufnahmen), Ulrike Pawel, Bettina Walter